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 Feldversuch     S P I R I T U Z Z I

 

 

 

 

 

Zum Einsatz von Ethanol-Benzin-Wasser-Gemischen in Verbrennungskraftmaschinen

 

 

Intro. Bioethanol, gewonnen aus nachwachsenden Rohstoffen (z.B. aus Getreide, Zuckerrüben, Mais, Zuckerrohr, Kartoffeln, etc.) ist in reiner Form sowie als Zusatz von Benzin- und Diesel-Kraftstoffen bestens geeignet und kann direkt als Kraftstoff in Verbrennungsmotoren eingesetzt werden. In der Praxis wird jedoch kein reines Ethanol verwendet; vielmehr erfolgt eine Beimischung zu konventionellen Otto-Kraftstoffen Bereich 5 - 10 % Ethanolanteil (z.B. E10). In Deutschland werden Bioethanole entweder als E 85 (85% Ethanol) verwendet oder den herkömmlichen Treibstoffen beigemischt. Beimischungen können in konventionellen Kraftfahrzeug-motoren ohne Umstellung oder Einschränkung eingesetzt werden, was vorwiegend in einigen amerikanischen Bundesstaaten praktiziert wird.

Schon heute am Markt erhältliche Flexible-Fuel-Fahrzeuge bieten die Möglichkeit, Mischungen von Bioethanol mit Benzin von 0-100% zu nutzen. Der große Markt liegt jedoch in der Beimischung zu Benzin. Ein besonderer Vorteil des Bioethanols ist seine hohe Klopffestigkeit (Oktanzahl). Der hohe Sauerstoffgehalt fördert die Verbrennung motorische Verbrennung.

 

Herstellung. Bioethanol wird durch Fermentation zucker- und stärkehaltiger Pflanzen gewonnen. Neben stärkehaltigen Pflanzen sind Zuckerrohr und Zuckerrüben die am häufigsten verwendeten Ausgangsmaterialien für die Ethanolproduktion. Während zuckerhaltige Pflanzen direkt vergoren werden, muss die Grundsubstanz Getreide, Mais und Kartoffeln die Stärke zunächst enzymatisch in Zucker umgewandelt werden. Ein relativ neues Verfahren ermöglicht den Einsatz von zellulosehaltiger Biomasse für die Ethanolproduktion, was das Potenzial möglicher Einsatzstoffe erheblich erweitert. Beim Einsatz von zellulosehaltiger Biomasse, wie z.B. Stroh oder Holzhackschnitzel muss zunächst deren Struktur aufgebrochen werden, was durch Kochen unter Säurezugabe erfolgt. Danach kann die Zellulose durch chemisch- enzymatische Aufschließungsprozesse für die Verzuckerung und Vergärung umgewandelt werden. Als Nebenprodukt fällt Lignin bei dem Aufschlussprozess an.


Der Einsatz in Kraftfahrzeugmotoren. Vorüberlegungen. Ethanol und Ethanol-Benzin-Gemische sind hauptsächlich für den motorischen Ottoprozess geeignet. Der hohe O2-Gehalt bei Ethanol-Benzin-Gemischen wirkt sich günstig aus hinsichtlich Klopffestigkeit und Emissionen (HC, CO, NOx...).

Das Luftverhältnis λ  ist höher, als bei herkömmlichen Benzinkraftstoffen.

Der Heizwert ist niedriger als bei Benzin, die Gemischbildung muss daher anders eingestellt werden; der motorische Wirkungsgrad (Gütegrad) bei gleichem thermischen Wirkungsgrad ist höher als bei Benzin (10 - 15%).

Bei der Umstellung auf Ethanolbetrieb wird die niedrige Damfdruckkurve des Alkohols als Nachteil aufgeführt: wegen der starken Abkühlung kann es zu Vereisungen im Vergaser kommen.

Die längeren Einspritzzeiten im Ethanolbetrieb können zu einer Leistungssteigerung des Motors führen.

Durch den höheren Massendurchsatz werden Kolben, Ventile und Zylinder besser gekühlt als im Benzinbetrieb. Im Übrigen haben langjährige Erfahrungen in Brasilien, wo mit E85 betriebene Fahrzeuge zum Alltag gehören, gezeigt, dass Motorschäden in Folge erhöhter Korrosion nicht auftreten.

Die höhere Oktanzahl von Ethanol kann zu einem Leistungszuwachs führen, ohne dass sich die Laufeigenschaften des Motors verschlechtern.

Der Kraftstoffverbrauch wird bei der Verwendung von E85 um ca. 25% ansteigen.

Der Schadstoffausstoß bei der Verwendung von reinem Ethanol vermindert sich um bis zu 90%. Die CO2-Bilanz von BioEthanol ist neutral.

 
 

Konzept für die Untersuchung der Tauglichkeit von Ethanol-Wasser-Gemischen als Kraftstoff für Ottomotoren.

 

 

Titel der Teilaufgaben einer Untersuchungskampagne

Stoff.                           Kalorische Kenngrößen von Benzin-Ethanol-Wasser-Gemischen.

Motor.                         Messstandsuntersuchungen

ATL                            Modellrechnungen für Abgasturbolader

Ladungswechsel.     Modellrechnungen Gemischkühlung.

RAPR                        Simulation des realen Motorarbeitsprozesses

 

Aufgabenstellungen:

Aus wässrigen Lösungen kann durch Destillation 96%tiger Ethylalkohol (CH3-CH2-OH) gewonnen werden. Die Alkohol-Wasser-Gemische sind über einen weiten Temperaturbereich stabil: es kommt nicht zu Entmischungen. Basis unserer Überlegungen ist der handelsübliche Kraftstoff E85 (85% Ethanol, 15%Benzin).

Stoff. In einer Laboruntersuchung sind die kalorischen Eigenschaften und Stoff-Kenngrößen von Benzin-Alkohol-Wasser-Gemischen (nachfolgend E85+W genannt) zu ermitteln. Nicht bekannt sind beispielsweise die spezifischen Wärmekapazitäten von (W85+W)-Dampf und deren Transportkoeffizienten. Zu Überprüfen wäre, ob die Berechnungsansätze für Mischgase nach Faltin und Rötzel [VDI-xx] gelten. Für nachfolgende theoretische Teilaufgaben und Messstanduntersuchungen stünde auch die Ermittlung der Motor-Oktanzahl MOZ der Gemische an. Eine Literaturrecherche sollte die Verfügbarkeit von Berechnungsmodellen zur Ermittlung der Research- Oktanzahl ROZ zum Gegenstand haben.

(Teilaufgabe: „Stoff“).

 

Motor. Aus Untersuchungen der dieselmotorischen Verbrennung ist bekannt, dass Kraftstoff-Wasser-Gemische Vorteile hinsichtlich des Schadstoffausstoßes bieten, da durch den höheren Wassergehalt der Intergasanteil steigt, der die NOx-Produktion während der Verbrennung senkt. In der dieselmotorischen Abgasnachbehandlung kann der Wasserdampf Kondensationskeime zum „Einfangen“ der Russpartikel bereitstellen, was sich vorteilhaft auf eine anschließende Filterung des Abgasstromes auswirkt. Die ottomotorische Verbrennung ist bezüglich Stickoxide und Ruß weniger kritisch. Dennoch könnte die Verwendung von E85+W Alkohol-Wasser-Gemischen Vorteile hinsichtlich des Schadstoffausstoßes bieten (siehe auch Anhang dieses Aufsatzes: Abgasuntersuchung eines 4T-Ottomotors). Diese Vermutung kann in einer experimentellen Messkampagne überprüft werden.

(Teilaufgabe: „Motor“):

 

ATL. Der Mehrverbrauch im Alkoholbetrieb (bei gleicher Leistung) wird bislang als Nachteil beschrieben. Aus thermodynamischer Sicht bedeutet Mehrverbrauch zunächst eine Zunahme des Massendurchsatzes. Eine dem motorischen Arbeitsprozess nachgeschaltete Arbeitsturbine (Ottomotor mit Abgasturboaufladung) reagiert auf eine Erhöhung des Gasmassendurchsatzes (immer) mit einer Leistungssteigerung. Der Effekt wird nun durch eine Beimischung von Wasser zum Kraftstoff (respektive dem Wasserdampfanteil im Abgas) noch verstärkt. Der Abgasturbolader (ATL) einer (ottomotorischen) E85+W Alkohol-Verbrennungskraft-maschine sollte demnach erheblich kleiner auszulegen sein, als sein Pendant im reinem Benzin-Betrieb. Erwartet wird ein geringerer Bauraum, eine verbesserte Dynamik der Abgasturbine (Turboloch!) aufgrund der geringeren Masse des Laufzeugs und ggf. Kostenvorteile.

In einem Simulationsmodell zur Abgasturboaufladung kann die Abhängigkeit der Auslegungsparameter in Abhängigkeit der thermodynamischen Eingangsgrößen untersucht werden.

(Teilaufgabe ATL).

 

Ladungswechsel. Während die geänderte Prozessführung des Alkoholbetriebs bei ottomotorischer Saugrohreinspritzung problemlos erfolgt, sind an Vergasermotoren nicht unerhebliche bauliche Veränderungen vorzunehmen. Wegen des geringeren Heizwertes wird eine größere Kraftstoffmasse zerstäubt, was – aufgrund der bei ottomotorischer Verbrennung geforderten stöchiometrischen Kraftstoff-Luft-Verhältnisse - den Gasmassenstrom heraufsetzt. Aufgrund der höheren Verdampfungsenthalpie von Ethanol kommt es zu einer Zunahme der Gemischkühlung in den Ansaugwegen der Verbrennungskraftmaschine; das kann bei Vergasermotoren zu Vereisungen führen. Grundsätzlich ist der Effekt thermodynamischer Gemischkühlung aber erwünscht. Es wäre zu überprüfen, ob im Falle der abgasturboaufgeladenen Ottomotoren  sogar auf eine Ladeluftkühlung verzichtet werden kann. Neben den Kostenvorteilen ist die Abwesenheit eines zusätzlichen Wärmetauschers aus strömungsmechanischer Sicht von Vorteil.

Hochleistungsrennmotoren werden heute in Wettbewerben mit Einheitskraftstoff betrieben; in den 80er Jahren war der Einsatz von Methylalkohol (mit der Chemischen Formel CH3OH) als Kraftstoff jedoch noch erlaubt. Es zeigte sich, dass die Inkaufnahme der erheblichen Nachteile alleine durch die positiven Effekte einer „Aufladung durch Gemischkühlung“ mehr als aufgewogen wurden. Die vermeintlichen Nachteile sind: größere Geschwindigkeit des Frischgases und  erhöhter Massendurchsatz wegen des geringeren Heizwert des Alkohols von 4700 kcal/kg im Vergleich zum Benzin (9800 kcal/kg). Methanol hat eine sehr saubere Verbrennung und eine sehr hohe Klopffestigkeit von 160 ROZ (Superbenzin: 95 ROZ), welche eine viel höhere Verdichtung der Motoren erlaubt. Da Methanol bereits sehr viel Sauerstoff in seinen Molekülen enthält, kann man Alkohol-Luftgemische sehr stark anreichern, d.h. es braucht nur sehr wenig Verbrennungsluft zugeführt werden. Der Luftbedarf bei der Verbrennung von 1kg Methanol beträgt lediglich 6,4 kg (zum Vergleich, die Verbrennung Benzin: 1/14,7 kg Benzin/kg Luft). Methanol ist in hohem Maße gesundheitsgefährdend und wird heute in Wettbewerbsmotoren nur noch in wenigen Rennsportklassen verwandt.

Bei Ethanol-Wasser-Gemischen ist eine weitere Erhöhung der Gemischkühlung zu erwarten. Bei angepasster Prozessführung ein absolut wünschenswerter Effekt. (Teilaufgabe: Ladungswechsel).   

 

RAPR. Die Berechnung des realen Motorarbeitsprozesses (RAPR, synthetisches Indikatordiagramm)  liefert eine Vielzahl von Prozessgrößen (p, T, dm, de, dQ, usw. ) in der Auflösung eines schrittweise analysierten Motor-Arbeitsspiels sowie Integral- und Mittelwerte motorischer Kenngrößen.

Für die Modellierung des dieselmotorischen und den ottomotorischen Arbeitsprozess sind kommerzielle Simulationsprogramme verfügbar (z.B. PROMO®). Inwiefern diese Modellansätze eine Berechnung von Motoren im Benzin-Ethanol-Betrieb und drüber hinaus zu (beliebigprozentigen) E85+W–Kraftstoffen taugen, ist nicht bekannt und sollte Gegenstand einer ausführlichen Untersuchung sein.

Grundsätzlich ist eine Berechnung des motorischen Arbeitsprozesses für ottomotorische Mischkraftstoffe dann ein lösbares Problem, wenn die Modellbildung beispielsweise auf die bekannte Lösung so genannter „Kreislaufmotoren“ aufsetzt. Hier existiert ein hohes Maß an Forschungs- und Entwicklungsbedarf.

(Teilaufgabe: RAPR)                                                                       

Anhang

 

Abgasuntersuchung eines 4T-Ottomotors im E85-Betrieb.      

Quelle: TÜV-NORD/ Hannover

 

Eine Abgasmessung gemäß RL 70/220/EWG wurde 07/2006 beim TÜV-NORD in Hannover durchgeführt. Aus obigem Diagramm wird ersichtlich, dass ab einer Motoröltemperatur von über 40 C° (Phase 2) die Werte vom CO (Kohlenstoffmonooxid) deutlich niedriger als im Benzinbetrieb. Die HCc-Konzentration (Kohlenwasserstoffe) im Ethanol-Betrieb (E85) liegt in Phase 2 ungefähr gleichauf mit der im Benzinbetrieb. An den zu hohen Werten in der Startphase wird gearbeitet. Enttäuschend bleibt, dass obiges Neufahrzeug, obwohl eine EURO 4-Zulassung vorliegt, auch im Benzinbetrieb bei der Abgasmessung die EURO 4-Norm nicht erfüllt hat. Diese Prüfung ist nicht mit einer normalen Abgasuntersuchung (AU) zu vergleichen, da diese nur bei betriebswarmen Fahrzeugen gemessen wird. Selbstverständlich hat obiges Fahrzeug die AU mit beiden Betriebsstoffen bestanden. Die Abgaswerte im Kaltstart (Phase 1) sind im Ethanolbetrieb derzeit noch schlechter als im Benzin-Betrieb.

 

Testfahrzeug Ford Mustang 4,0 V6 / EURO 4 Neufahrzeug.